Bericht vom Workshop auf dem Kongress in Heidelberg

Die Präzision des Ungefähren -
Postsystemische Begriffswelten in der biographieorientierten Beratung

Heidelberg: 19. Mai 2012
Wie kommt Neues in die Welt,   Internationales Symposion der igst

 

Zum Workshop und natürlich auch auf dem Kongress konnte ich allerlei Kollegen, aktuelle und ehemalige KursteilnehmerInnen, Freunde und Bekannte begrüßen. Mein Workshop fand im Institut der igst in der Gaisbergstr. statt. Wir saßen mit ca. dreißig TeilnehmerInnen dicht gedrängt (leider habe ich versäumt, ein Photo zu machen) im Seminarraum im Erdgeschoss. Ein Teilnehmer war extra zu diesem Workshop aus Jerusalem angereist. Die Präsentatation der META-[MATRIX]-Begriffswelten war ein strammes Programm, das 160 Folien in zweieinhalb Stunden umfasste. Viele Folien waren allerdings ohne Text und dafür mit Beispielbildern von Matrixen und Fallvignetten ausgestattet. Es gab eine Tour d'Horizont von den Mehrzweckhallen der Prähistorie, über den Münsterbau im Mittelalter zu den unbezahlbaren Häusern der Moderne und dem Garten Eden. Dabei wurde insbesondere erklärt, wie dies mit biographischen Beratungsmodellen zusammenhängt, die mit bildschöpfenden und darstellenden Verfahren arbeiten.

Als Handouts gab es eine Inhaltsübersicht über den Workshop, zwei Navigationstafeln zur ständigen Orientierung während der Veranstaltung und eine dreiseitige theoretische Hardcorezusammenfassung der neuen META-[MATRIX]-Begriffswelten, die durch den Workshop für die TeilnemerInnen verständlich wurde. Die TeilnehmerInnen waren laut ihren Rückmeldungen und auch nach meiner Einschätzung sehr zufrieden.

Am Samstagabend fand in der Stadthalle noch der „Eisprung“ statt. Ein mannshohes Ei als Symbol des Kongresses wurde auf der Bühne zerdeppert. Hans Geisslinger, Maître de Plaisir des Eiersalats, kenne ich gut. Da er in Berlin wohnt, ist er mir leider nur ein entfernter Freund. Er schrieb mir eine persönliche Widmung auf mein eisbergförmiges Bruchstück der Eierschale. So betrachtet war mein Ei nicht leer.

Das Motto rechts repräsentiert aber nur einen Teil der META-[MATRIX]. Die weiteren Teile sind aber ebenso wichtig und werden durch die Eisbergform des Ei-Bruchstücks symbolisiert; es sind dies neben den zehn Prozent des sichtbaren Eisbergs über der Wasseroberfläche noch die nicht-sichtbaren neunzig Prozent unter der Wasser-oberfläche. Denn erst die durch präzise Beobachtung der Außenwelt ermittelten Tatsachen der gesellschaftlichen Verhältnisse und der verschiedenen Kräfte und Gewalten, sind kein Leichengift der Tatsachen, sondern sie stellen die kontextuelle Hintergrundstrahlung für Biographien dar. Diese teils schaurigen Tatsachen des Elends der Welt“ (Pierre Bourdieu) sind eher das Leichengift für viele Biographien der heutigen Epoche. Deshalb verbinden die Modelle der META-[MATRIX] immer den kleinen sichtbaren Teil, die Oberflächenstruktur der äußeren Lebenslage, mit dem größeren nicht-sichtbaren Teil („unter der Wasseroberfläche“), der inneren Tiefenstruktur der Lebenswelten. Die geistigen Verknüpfungslinien werden durch die Tiefenhermeneutik und deren angewandte Verfahren, den stereoskopischen Blick und seine kommunikative Spielart das 'Groken‘ gepflochten.

Mit anderen Worten, phantasiert man sich das Ei-Bruchstück als Eisberg (so wie oben im Bild), dann läge der Sinnspruch unterhalb der Wasseroberfläche, also in der Tiefenstruktur, damit würde er dann wieder vollständig mit dem META-[MATRIX]-Modell übereinstimmen.

Vorausgesetzt Kapitän Smith auf der Titanic hätte die Tatsachen auf der Wasseroberfläche richtig wahrgenommen und daraus die adäquaten Schlüsse gezogen, welche tötliche Gefahr sich in der Tiefenstruktur unter Wasser verbirgt, er hätte sich beim Durchfahren der Eisfelder die Prinzipien der „Präzision des Ungefähren“ zu eigen machen sollen. Aber das tat er genau nicht und deshalb ging es ihm wie im richtigen Leben auf „seiner“ Titanic. Er durfte sich ziemlich fix an seinem eigenen Leichengift „laben“, gerade wegen seiner krassen Fehleinschätzung der Tatsachen.

Dass die Titanic, wie die Hindenburg und die Costa Concordia jeweils die adäquaten Menetekel ihrer jeweiligen Epochen waren, scheint nach der „Präzision des Ungefähren“ auch klar. Titanic und Hindenburg kündigten die Urkatasthrophen im letzten Jahrhundert des letzten Jahrtausends an, den ersten und den zweiten Weltkrieg. Kündigt die Havarie der Costa Concordia auch eine Urkatastrophe an? Das ist eine unentscheidbare Frage, auch wenn diese Havarie ein Menetekel wäre; Gründe, Anlässe und Gelegenheiten gäbe es hinreichend. Das bleibt solange eine unentscheidbare Frage, die im Unterschied zu den meisten unentscheidbaren Fragen in der Biographie(beratung) nicht entschieden werden muss, es sei denn man wolle diese unentscheidbare Frage entscheiden, um sich zu präparieren für das, was kommen könnte. In der [[MATRIX]gibt es dafür den Survival-Baustein; er wird von den Mandanten überwiegend geflissentlich übersehen und nicht zur Kenntnis genommen. Jeder wie er will und mag. Im Landstrich Fukushima sieht die Bevölkerung das mittlerweile ganz anders und nach Orkan Lothar sehe ich das auch anders, von den „kleinen Imponderabilien“, wie Schulden-, Währungs- und Wirtschafts- und Energiekrisen, dem neuen kalten Krieg und anderen Dingen ganz zu schweigen.

Leider konnte ich nicht noch einen Tag länger in Heidelberg bleiben, da ich am nächsten Tag schon wieder eine Veranstaltung im Ausland hatte, übrigens nicht auf einem Kreuzfahrtschiff.

Dank an Hans-Rudi (Fischer) und seine ganze Mannschaft für die Ausrichtung des interessanten Kongresses.