Die Sehnsuchtskarawane von der Radikalen Marktwirtschaft gestoppt
In meinem Februar Posting zur Sehnsuchtskarawane hatte ich ja schon auf die Kurzlebigkeit und das häufige Scheitern von Kinderkarawanen hingewiesen. Nun haben „wir“ den Salat: Die Sehnsuchtskarawane steht still. Mehr Infos auf der Sehnsuchtskarawanenseite: Click
Trotz der Mühen des tapferen und mutigen Hans Geisslinger sind der Karawane in der letzten Minute die Sponsoren von der Schippe gesprungen. Das waren schon seit den Kinderkreuzzügen die Gründe: keine Geldgeber. Bei Kindern und Jugendlichen wird noch eher als bei Bildung, Forschung und Sozialem gespart und dann auch noch für deren Sehnsüchte in diesen Zeiten.
2005 ließ sich Hans Geisslinger zur Mitarbeit beim Depressionsbarometer "verführen". Da sollte „bewiesen“ werden, Deutsche sind depressiver als ihre europäischen Nachbarn, sie leiden häufiger unter Blähungen und sitzen nicht gerne im Luftzug. Kurzum es sollte suggeriert werden, eigentlich sei die „Lage viel besser als die Stimmung“. Das war natürlich schon damals, höflich ausgedrückt, ein affirmativer Marketing Gag oder einfacher gesagt Vollstuss.
Mittlerweile ist es allerdings so, dass die „Stimmung besser als die Lage ist“, nicht weil sich Stimmung oder Lage gebessert hätten (ganz im Gegenteil), sondern weil es mittlerweile jeder mitbekommen hat, wie beschissen die Lage ist. Denn ein durchschnittlich gefestigter Erwachsener hält es nicht länger als fünf Minuten aus, sich die Lage bei vollem Bewusstsein ohne mentale Brandbeschleuniger und sonstige Narkotika zu Gemüte zu führen. Sonst würde sein Serotoninkreislauf sofort in den Standbymodus gehen oder auf Notbeleuchtung schalten. 2005 war die Lage natürlich schon genauso bescheiden, nur wollte es da (fast) noch niemand wissen.
Die ausgeflippte staatliche Pumpologie des „Live now, pay later“ zur Finanzierung von staatlichen (und privaten) Wolkenkuckucksheimen hatte schon alle Gesellschaftsbereiche wie ein Hausschwamm durchdrungen, es war nur noch nicht die Rechnung präsentiert worden.
Die systemische Beraterszene war noch geblufft vom neoökonomischem Ideensalat-Export aus der Kasinowirtschaft in die Verhaltenswissenschaften. Radikale Marktwirtschaft (Verhalten als Ware) schimpfte sich das, fast hätte ich es auch geglaubt, aber auch nur fast.
Damals wurde ich für meine Vorhersage einer umfassenden Wirtschafts- und Währungskrise noch verhöhnt, verspottet oder, wenn man gnädig war, nur belächelt oder als Unkerich tituliert. Diese „kenntnisreichen“ Kritiker, häufig im psychosozialen Bereich beheimatet, halten mittlerweile ihren vorlauten Mund lieber geschlossen. Das ist leider das einzig Gute an der Lage. Der Goldpreis hetzt stattdessen seit 18 Monaten von einem Rekordhoch zum nächsten, das sagt leider alles über das Vertrauen von Investoren und Bürgern in die wirtschaftliche Lage.
Neulich traf ich nun einen meiner damaligen Kritiker. Er gestand mir: „Du hast damals mit deinen Wirtschaftsprognosen Recht gehabt“. Ich mochte seiner plötzlichen Einsicht noch nicht recht trauen und dann kams auch: „Aber deine Gründe waren falsch“. Auf meine bescheidene Nachfrage, was denn seiner Meinung nach die richtigen Gründe gewesen wären, wusste er nichts zu argumentieren. Was soll man dazu sagen, besser nix, sag ich.
Übrigens, ich wage noch eine Vorhersage, diesmal zur Geschichte mit dem „kleinen“ Loch auf dem Grund des Golfs von Mexiko: „This will go global, believe me“. Diese (in der K.o.organisierten Komplizenschaft zwischen der Verantwortungslosigkeit von BP und den Schlampigkeiten der Aufsichtsbehörden) selbstgeschaffene Umweltkrise ist längst "tschernobylisiert". Man könnte hier ironisch von dem Brennpunkt des Ozonlochs auf dem Meeresgrund sprechen, wenn man sich die Wasseroberfläche als des Golfs von Mexiko als Lupe phantasiert. Unser Planet hat "nun endlich" zwei Lecks eines in seiner atmosphärischen Hülle ein zweites in seinem Erdmantel. "I have a hole in my pocket", sagte einer der Beatles im Zeichentrickfilm "Yellow Submarine". Dieses Loch klebte er auf die Blase in der der Nowhere Man gefangen saß und befreite ihn dadurch. Wo ist das Yellow Submarine im Golf von Mexiko?
Dieses Unglück wird mittelfristig u.a. den Öl- und Goldpreis weiter hoch treiben, weil es das Vertauen auf die jetzigen Wirtschaftsform weiter fundamental untergraben wird. Gleichwohl werden für Investoren und damit für Sponsoren jugendliche Sehnsüchte keinen weiteren Pfifferling wert sein, denn sie werden noch schnell absahnen wollen bevor alles zu spät ist. Nur, wohin wollen diese Blaumiesen dann mit ihrer Beute noch fliehen wenn es ihnen endlich gelungen ist Pepperland zu zerstören?
Ernst Jünger ahnte das schon 1959 in seinem Essay „An der Zeitmauer“ voraus. Das Zeitalter der fossilen Brennstoffverpulverung neigt sich dem Ende zu. Es wird langsam dem letzten Turbokapitalisten klar, dass die ökologischen „Nebenwirkungen“ zu wirtschaftlichen Zentralfolgen mutieren. Ein Wandel dritter Ordnung kündigt sich an. Dass dabei die Realisierung einer Sehnsuchtskarawane über die Wupper geht, wird noch zu den minderen Kollateralschäden gehören. Leider!
Wie salbaderte Altkanzler Kohl: „Die Karawane zieht weiter“. Ob er sich der Vieldeutigkeit seines "Mauvaismots" bewusst war? In diesem Sinne sicher nicht.
Cher Hans (Geisslinger), il ne faut pas perdre le moral par les temps qui courent!
Juni 2010