Referent in der Mittelstandsakademie auf Schloss Eyb
Letzte Woche wurde ich durch die Aufnahme in den Referentenstab der Mittelstandsakademie auf Schloß Eyb "geadelt". Schloss und Akademie liegen in Dörzbach im Hohenlohischen zwischen Künzelsau und Bad Mergentheim. Freiherr und Freifrau von Eyb "schwingen da das Zepter". "Leben kann man nur im Schloss", bekannte Werner Sombart schon 1912 in "Liebe, Luxus und Kapitalismus". Tief in mir drinnen wusste ich schon immer, dass ich eigentlich auf`s Schloss gehöre, ein klapperstörchischer Zustellungsfehler sabotiert das bisher. Jetzt ist meiner pränatal (vom Storch) gekränkten Seele durch diese tiefenhermeneutisch bedeutungsvolle Botschaft wahre Linderung widerfahren.
Das kam durch meinen langjährigen Kollegen André Papmehl zustande, in dessen damaligem Buch "Personalentwicklung im Wandel" bei Gabler ich vor knapp 20 Jahren den Begriff systemisches Coaching erstmalig in die Fachliteratur eingeführt habe. Seitdem hat eine rasante Entwicklung stattgefunden, wenn man bedenkt, wer heute alles meint, zum Begriff systemisches Coaching kompetent mitreden zu müssen, von Können ganz zu schweigen.
1991 war ich im Furor der Lebensmitte (im Stop, siehe Beitrag oben) stolzgeschwellt von dem "Geistesblitz" mit dem systemischem Coaching. Heute blickt man deshalb eher betroffen vor sich hin und fragt sich leise: "Was hab ich dadurch nur angerichtet?". Hätte ich das damals auch nur ansatzweise geahnt, hätte ich das vermutlich anderen überlassen. Damals lag es in der Luft und roch ein bisschen nach Revolution im Personalwesen, heute müffelt das schon längst nach Vormärz, Biedermeier und Restauration. Viele von denen, die später dazu stießen, haben das nur noch nicht mitbekommen und phantasieren sich noch im Sturm auf die Bastille. Wie dieses Beispiel zeigt, ist heute im Schloss schon längst Akademie.
Das Personalwesen wandelte sich in den vergangenen 20 Jahren weniger (und schon gar nicht zum Guten). Das Systemische mutierte dagegen zur Lehrbuchph(r)ase. Heute verdienen damit zu viele ihr Brod und machen dabei doch nur auf Mad Max. Was damals noch prozessuale Lösungsschlüssel zur organisationalen Gefangenenbefreiung schienen, führt heute häufig nur noch zu kafkaesken Po(s)sen.
Die Pioniere sind längst weitergezogen oder haben sich in der Provinz oder im Wald versteckt. Manchmal träumen sie heimlich davon, dass die systemische Revolution doch noch ihre Enkel gefressen habe, aber dann werden sie nur mit bleischwerem Kopf wach und im Ohr verdröhnt der Textanfang von Stan Webb`s "Revelation" mit Chicken Shack (Hühnerstall, Bretterbude oder Baracke): "When I wake up this morning, sweat was running down my face, another bear from the icebox, oh what a terrible disgrace ... " und dann realisieren sie, dass der Übergang vom Schlaf- zum Wachtraum keine Schnittstelle ist, sondern sich zu einer übergangsfreien Nahtstelle versteppt hat.
Juni 2010