Zur Stimmanalyse II, Sinn und Zweck der heutigen Stimmanalyse in Forschung, Anwendung und Lehre

Mithören  Zuhören  Anhören  Abhören Hinhören  Reinhören  Durchhören  Nachhören  Verhören Überhören  Weghören

Niklas Trüstedts „wundersame“ Stimmanalyse-Diagnosen 
Niklas Trüstedt hat in den folgenden Jahr(zehnt)en vielfach seine Behauptung bewiesen, dass er aus der Stimme eines Menschen einiges über dessen Persönlichkeitsstrukturen, die Krankengeschichte und die Biographie heraushören konnte. Seine anamnestischen Bemerkungen und seine tiefenstrukturellen Persönlichkeits- und Biographieanalysen von ihm völlig unbekannten Personen versetzten immer wieder in Erstaunen und gaben Rätsel auf. 
Beispielsweise diagnostizierte Niklas Trüstedt: „Sie haben sich ungefähr im Alter von acht Jahren, das rechte Schienenbein gebrochen“ oder „Sie hatten mit fünfzehn eine Blinddarm Operation“ oder „mit Ende zwanzig eine Magenoperation“.  
Nach solchen Stimmdiagnosen entstand stets ein großes Palaver, was das denn für eine unseriöse Quacksalberei sei, auf Grund der Stimme solche Behauptungen aufzustellen und wie das überhaupt funktionieren sollte. Trüstedt empfahl stets, den jeweiligen „Eigner einer Stimme“ zu befragen, und alle Diagnosen wurden von den Betroffenen als zutreffend bestätigt. Schlimmstenfalls bei der Alterseinschätzung gab es mal leichte Abweichungen. Wenn die Stimmeigner sich nicht an die diagnostizierten Ereignisse erinnern konnten, wurde die Eltern angerufen, die dann ausnahmslos die Diagnosen bestätigten.

Wie das funktionierte
Dazu bot Trüstedt folgende Metapher an: „Wenn ein Teller einen Sprung hat, dann kann man ihn natürlich wieder zusammenkleben, aber er wird nie wieder den Klang haben, den der Teller vorher ohne Sprung hatte und diese schwachen Resonanzunterschiede, beispielsweise eben durch unterschiedliche Resonanzen durch einen Knochenbruch oder die Narben einer Magen Operation, sind für mich eben hörbar.“
Hier wurde auf die Körperresonanzen im langwelligen Bereich angespielt. Und dazu wurde dann ein Satz Übungen vorgestellt und eingeübt. Niklas Trüstedt war für die Stimmanalyse das, was in den 1970er Jahren beispielsweise der Savant Jack Schwarz für Schmerz- und Blutungskontrolle und Diagnostik körperlicher Beschwerden auf Grund des sogenannten „Auralesens“ war.

Jack Schwarz 
war ein gebürtiger Holländer, der im Kalifornien der 1970er Jahre, auf den zuvor genannten Gebieten die erstaunlichsten Fähigkeiten und Ergebnisse - auch unter Laborbedigungen - produzieren konnte. Die Biofeedback Pioniere Elmar und Alice Green haben die Fähigkeiten von Schwarz ausführlich wissenschaftlich untersucht.
Für Schwarz waren diese Demonstrationen ein Kinderspiel. Und Schwarz versuchte seine Fähigkeiten mit sehr detaillierten Übungen und Anleitungen zu lehren. Es bleibt allerdings unprosisch festzustellen, dass trotz all dieser detaillierten Anweisungen und Übungen scheinbar nur die Wenigsten bis Keiner auch nur annähernd die Fähigkeiten von Jack Schwarz erreichte.

Inselbegabungen
Schwarz verfügte über die aussergewöhnlichen, aber eben personengebundenen Fähigkeiten eines Savants, eine Inselbegabung, die nicht lehrbar, sondern personengebunden bleibt. Bei Inselbegabungen kann man zwischen angeborenen und erworbenen Inselbegabungen unterscheiden. Das direkte Erleben bei der Demonstration von Inselbegabungen ist immer wieder äussert faszinierend. Hier ein Gesprächsbeispiel des Inselbegabungsforschers Darolt Treffert (1933-2020) mit dem erworbenen Mathematik Savant Jason Padgett.
Ein weiteres Beispiel aus dem zeichnerischen Feld sind beispielsweise die City Panoramen von Stephen Wiltshire. Wie S.W. das mit größter Leichtigkeit gelingt, kann er nicht so richtig erklären, aber er kann es eben. Es ist und bleibt aber (s)eine personengebundene inselbegabte Fähigkeit.
 Im Anschluß das Beispiel einer Imagination zur Blutungskontrolle von Jack Schwarz, die allerdings in sich schon äusserst anspruchsvoll ist. Es ist nicht ganz einfach, wenn man diese Imagination unter Echtbedingungen von Blutungen und Verletzungen ohne imaginative Aussetzer konsequent durchziehen will. Und diese Art der Imagination ist sozusagen nur das kleine Einmaleins dessen, was Jack Schwarz unter „Mind over Matter“ verstand. In diesem Video beschreibt Schwarz komplexere Teile der eigentlich völlig logischen, aber gleichwohl ziemlich paradoxen „höheren Imaginationsalgebra“.

Ein Imaginationsbeispiel für Blutungskontrolle
„Wenn man sich in die Handfläche geschnitten hat, setzt man sich an einem ruhigen, bequemen Ort in einen Sessel und praktiziert zuerst einige autogene Übungen, um Körper und Emotionen zu beruhigen. Man macht mit geschlossenen Augen Schwere- und Wärmeübungen. Dann richtet man die Aufmerksamkeit nach innen auf den Bereich der Visualisation. Man sieht sich im Geist auf einem Sessel sitzen; dann lässt man den Körper empfinden, dass er mit der visualisierten Gestalt verschmilzt, so dass man fühlt, dass man die Gestalt ist, die man im Geist im Sessel sitzen sieht. Dann denkt man an seinen Körper und die Visualisation so, als wären es identische Zwillinge, die genau zusammenpassen. Danach betrachtet man die Hand, nicht physisch, sondern im Geist. Man sieht, wie die verletzte Hand langsam vom Körper abgezogen wird wie ein Handschuh. Dabei wird sie immer größer und größer, bis sie so groß aussieht wie ein Haus auf etwa zehn Meter Entfernung. Sie richtet sich senkrecht auf und stellt sich langsam auf die Basis am Handgelenk. Nun hebt man die Füße des Geist-Körpers und geht auf die Hand zu. Wenn man ungefähr halbwegs dort ist, dreht man sich um und sieht seinen anderen Körper an, der im Sessel sitzt. Man sagt zu ihm: ‚Schlage die Beine übereinander’, und er gehorcht. Wenn er nicht gehorcht, geht man zurück, setzt sich hin und versucht es noch einmal. Wenn man sieht, dass er die Beine übereinanderschlägt, sind die psychologischen Bedingungen gegeben, und man dreht sich um und sieht die Hand an. Dabei bemerkt man, dass sie eine Tür hat. Man geht hin, öffnet die Tür und tritt ein. Die Hand scheint hohl zu sein, und innen lehnt eine Leiter auf der Handflächenseite an der Wand.
Wenn man hinaufblickt, sieht man, wo die Wunde ist. Auf dem Boden liegt etwas Flickzeug, etwas Band und Klebstoff. Man gibt dies in einen Eimer, der dabei steht, steigt die Leiter hinauf und beginnt, die Wunde zu reparieren.
Man repariert sie in der Visualisierung in der am besten erscheinenden Weise. Man streicht etwas Klebstoff an die Ränder der Wunde und legt dann Klebeband darüber. Oder man bringt zuerst das Band an und streicht dann Klebstoff darüber. Dann beobachtet man es eine Weile um zu sehen, ob es hält. Wenn dies der Fall ist, steigt man die Leiter herunter. Wenn sich der Flicken abschält, entfernt man ihn und fängt noch einmal von vorn an. Dies macht man solange, bis der Flicken hält. Dann steigt man die Leiter herunter, legt das Material auf den Boden, geht zur Tür hinaus, schließt sie hinter sich zu, geht in den Körper zurück, dreht sich um und setzt sich. Man betrachtet die große Geist-Hand und bemerkt, dass keine Wunde daran ist. Die Hand beginnt zu schrumpfen. Dabei bewegt sie sich langsam auf einen zu. Schließlich schlüpft sie wieder an ihren Platz wie ein Handschuh. Die Visualisation ist beendet. Man bedankt sich bei seinem Körper dafür, dass er so gute Arbeit geleistet hat und visualisiert sich selbst als einheitliches Wesen. Körper und Geist sind erfüllt von Freude und Energie. Man öffnet die Augen und fühlt sich wohl. Man achtet zuerst nicht auf seine Hand und erlaubt dem Körper, die Visualisierung ohne Einmischung zu verwirklichen. Später sieht man die Hand an, aber man darf nicht im Geist daran herummachen, so wenig wie ein Bauer seine Samen ausgräbt um zu sehen, ob sie keimen. Man wiederholt die Visualisierung mehrmals täglich so lange es notwendig ist. Dabei muss man sich daran erinnern, dass Übung den Meister macht.”
Aus: Green, Elmer u. Alyce (1978): Biofeedback, eine neue Möglichkeit zu heilen. Freiburg Bauer.

Niklas Trüstedt, eine Inselbegabung der Stimmanalyse
Nach dem bisher Gesagten dürfte klargeworden sein, dass Niklas Trüstedt eine Inselbegabung, ein unnachahmlicher Savant der Stimmanalyse ist. Was er wie andere Savants mit größter und faszinierender Leichtigkeit aus dem Ärmel schüttelte, bleibt für den Normalsterblichen - trotz aller scheinbaren Erklärungen und Übungen - unerreichbar. PWG hat in der vierzigjährigen Zusammenarbeit mit N. Trüstedt - trotz allem bemühenden Suchen - keine zweite Person gefunden, die auch nur annähernd das zustande brachte, was Niklas Trüstedt mit zauberhafter Leichtigkeit und verblüffender Präzision an Diagnosen auf Grund einer Stimme ablieferte, die eben auch die jeweiligen Stimmeigner verblüffte, erfreute bis erschreckte, aber durch ihre Plausibilität überzeugte.
PWG hat, wie schon gesagt in all diesen Jahren sehr viel von Niklas Trüstedt gelernt und ihm viel zu verdanken und meint, bezüglich der Stimmanalyse mittlerweile auch einiges zustande zu bringen. Er ist aber im Vergleich mit dem Großmeister Trüstedt ein ziemlich „taube Nuss“ geblieben. Und von den hunderten von Teilnehmern am Stimmanalyse-Seminar hat nach dem Wissen von PWG auch niemand nur annähernd die Fähigkeiten von Niklas Trüstedt nachbilden können.

Die Lehrbarmachung der Inselbegabungen
Die Frage ist nun, wie weit und bis zu welchem Niveau sind Inselbegabungen von dem personengebundenen Können eines Savants in einen lehrbaren Zustand für Normalsterbliche zu verflüssigen? 
Ergo geht es den heutigen Stimmanalyse Verfahren nun darum, wie man sich von der eleganten Autobahn einer genialen Inselbegabung soviel abschauen, beziehungsweise abhören kann, dass eine Art kleinerer Waldpfad, ein Waldgang durch das Dickicht des Alltags gefunden wird, auf dem man vorsichtig und mit Mühen auf weit bescheideneren Flughöhen kleine Teile der Geniestreiche der personengebundenen Inselbegabungen in eine personenungebundene, lehrbare Form abzulösen und so zu destillieren versucht, sodass Teile davon für den eigenen Gebrauch fruchtbar und nutzbar werden.
Klar bleibt auch, wer hohe (Insel)Begabungen beispielsweise für das Komponieren mitbringt, entwickelt, einübt, födert und pflegt, wird dadurch am Ende noch lange nicht zu einem Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart oder James Last, völlig jenseits davon, ob damit dann eine Jahrhundert-Karriere gelingen würde oder auch nicht. Aber es kann immerhin zu einem solidem Handwerk führen und zu dem Bewusstsein, dass man mit 99% Transpiration und 1% Inspiration eine Ahnung von den Fähigkeiten dieser menschlichen „Götter“ oder „Wundertiere“ bekommt.
Der Trost ist dabei häufig die Feststellung, dass die Inselbegabten außerhalb ihrer genialen Inseln von großen Ozeanen des Autismus umgeben sind und jenseits ihrer Inselbegabungen häufig sehr limitierte Fähigkeits- und Kompetenzprofile haben, denn sonst wäre sie bis auf die Unsterblichkeit wirkliche Götter.
Gleichwohl bleibt es auch ein faszinierendes Projekt, sich dem weiten Feld der Stimmanalyse von diversen Seiten anzunähern und so zu umkreisen, dass es ein wenig handhab- und lehrbar wird.
Genau darum geht es bei der heutigen Stimmanalyse. Hier sollen die diversen Wissens-, Wissenschafts-, Wahrnehmungs- und sprachlichen  und viele weitere praktische und theoretische Kompetenzbereiche zusammengetragen werden, die dann Beiträge zur Stimmanalyse liefern und diese Fähigkeit von den unterschiedlichsten Perspektiven auszuleuchten versuchen.

Daher werden im folgenden Kapitel Wissen-, Wissenschafts-, Theorie-, Praxis- und Kompetenzfelder zusammengetragen, die Beiträge zur Stimmanalyse liefern.