Wandel bei den Auftrags- und Zielkärungsprozessen

Bei der Klientel des mli zeichnete sich seit der Wirtschaftskrise 2008 eine zunehmende Veränderung der Auftrags- und Zielklärungsprozesse ab. Man kann durchaus sagen, dass sich seit dem Beginn des Jahrtausends die Auftrags- und Zielklärungsprozesse ins Gegenteil verkehrt hatten. Hatte die Klientel zu Anfang des Jahrtausends noch weitere, höhere und schnellere Karriereziele, einschließlich dem Wunsch nach mehr Einkommen, Verantwortung und Arbeit, änderte sich das Bild ab 2009 langsam, aber nachhaltig. Die Klientel klagte zunehmend über Erschöpfungszustände, sie wollte weniger Arbeit, Verantwortung und war auch bereit, Einkommenseinbußen hinzunehmen.

Es wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass eine exponentiell ansteigende Zahl der Mandanten des mli an reaktiv-depressiven Erschöpfungszuständen oder wie man heute sagt Burnout-Syndrom litten. Es kam hinzu, dass die Mandaten des mli zudem zunehmend Psychopharmaka oder Neuroenhancer (wie man es heute auch wieder verharmlosend nennt) einnahmen oder ihnen diese Einnahme bereits empfohlen und verschrieben, aber von den Mandanten noch nicht umgesetzt worden war.

Folglich wurde der Frage nachgegangen, wie sich jenseits des zunehmenden alltäglichen Stresses erklärt, dass diese Entwicklungen auftraten, wie weit diese Phänome verbreitet sind und wie darauf therapeutisch und beraterisch reagiert werden sollte.

Dabei wurde zunächst festgestellt, dass die größten empirischen Datenpools in Deutschland, die u.a. auf den Zahlen des WIdO (Wissenschaftliches Institut der allgemeinen Ortskrankenkassen) basieren, zu den gleichen Ergebnissen kamen wie die klinischen Alltagsbeobachtungen am mli. Diese Ergebnisse sind in den jährlich erscheinenden Fehlzeiten- und  Arzneiverordnungsreporten dargestellt. Der Fehlzeitenreport 2013 trug bspw. den Titel: „Verdammt zum Erfolg. Die süchtige Arbeitsgesellschaft“ und der Arzneiverordnungsreport 2013spricht von einem irrationalen Anstieg der Psychopharmakaverordnungen. 

 

Es ließ sich weiter nachweisen, dass sowohl der Anstieg von Fehlzeiten als auch der Psychopharmakaverordnungen mit einer zunehmend kürzer werdenden Latenzzeit nach den jeweiligen Wirtschaftkrisen auftraten. Das zeigte sich nach den Wirtschaftskrisen durch das Platzen der Dotcom Blaseund den Anschläge am 11. September 2001 zu Anfang des neuen Jahrtausends und nach der durch die Subprime Krise und die Pleite der Leman Brothers Bank ausgelösten Wirtschafts- und Währungskrise 2007/2008.

Nun bin ich kein grundsätzlicher Freund, sondern eher ein Gegner von Psychopharmaka bzw. bestenfalls einer grundsätzlichen Kombination aus einer Psychopharmakaverordnung mit einer begleitenden Psychotherapie, aber ich musste feststellen, dass die Resilienz vieler Mandanten bereits so stark skleortisiert, unelastisch und dadurch brüchtig geworden war, dass eine Fortsetzung des bisherigen Arbeits- und Lebensentwurfes in vielen Fällen nur noch durch eine kurzfristige Applikation von Psychopharmaka mit einer begleitenden Psychotherapie möglich war. Die antifragilen Auflösungsprozesse der psychophysischen Resilienz der mli-Klientel war in vielen Fällen leider weit vorangeschritten. Es kommt hinzu, dass die Klientel aus der Haltung, ich muss es selber schaffen, mit meinen Erschöpfungen fertig zu werden, sich häufig zu spät zu einer Beratung entschlossen hatte. Es schien so zu sein, als wäre der Gang zur Beratung eine offensichtliche Kapitulation vor den eigenen Erschöpfungszuständen und das endgültige Eingeständnis des persönlichen Versagens.

Es kommt weiter hinzu, dass aufgrund der unzureichenden psychotherapeutischen Versorgungssituation die lokalen Kollegenschaften mehrmonatige Wartelisten vor sich herschieben und eine übergangslose psychotherapeutische Anschlusspsychotherapie vor Ort für die überregionale und internationale Klientel des mli häufig nicht realisierbar war, obwohl sie dringend indiziert gewesen wäre.