Begegnung der dritten Art mit dem Behemoth

Einleitung
Manch einer wird sich gefragt haben und von manchen wurde ich es auch direkt gefragt, wie es sich erklärt, dass in der Rubrik ‘Aktuelles aus dem missing-link-institut‘ zwischen Juni ‘22 und April ‘23 keine weiteren Nachrichten, Reflexionen und Überlegungen erschienen sind und ob etwas und was gar mit mir los sei? Oder ob ich gar schon wegen meiner politischen Aktivitäten ‘geballwegt‘ worden sei und im Knast schmoren würde? Nichts von alledem, sondern das erklärt sich dadurch, dass ich eine unerwartete Wiederbegegnung der dritten Art mit meinem alten Freund und Kupferstecher dem Behemoth hatte.

Vorgeschichte
Wenn man aus dem Sauerland kommt, dann versteht man unter alten Freunden und Kupferstechern im allgemeinen eben auch andere Sauerländer. Aber heute ist es selbst für Sauerländer üblich, dass man entfernte Freunde von weit außerhalb hat, zumal Sauerländer zur Spökenkiekerei neigen. Dazu sei Ullrich Raulff ein anderer Sauerländer aus seiner wunderbaren Betrachtung ‘Lebensart Sauerland‘ zitiert

‘Neben den Bewohnern der Heidelandschaften im nördlichen Deutschland verfügen insbesondere die Sauerländer über die Fähigkeit des zweiten Gesichts. Natürlich können auch sie, soviel stammestypische Skepsis muss sein, sich gelegentlich irren oder aufs falsche Pferd setzten. Aber im Großen und Ganzen haben sie ein ausgeprägtes Gespür, eine Witterung für Dinge und Ereignisse, die noch unter dem Horizont liegen. Wie der Bauer der weiß, wenn er heute mäht, kommt morgen der Regen. Die Sauerländer spüren was in der Luft liegt. Sie haben Ahnung. Diese Gabe prägt ihr Leben und verbindet sich mit ihrem natürlichen Realismus. Aber anders als Annette (Droste-Hülshoff) meinte, macht sie die Sauerländer nicht zu erfolgreichen Spekulanten. Sie macht sie zu phantastischen Fabrikanten.‘

Es sei bemerkt, dass ich U. Raulff noch en passant aus meiner Studienzeit kann, als er im Buchladen ‘Roter Stern‘ in Marburg jobbte. Das Fossil Roter Stern gibts heute noch an der gleichen Stelle. Die Studenten im roten Marburg scheinen auch nix dazu lernen zu wollen oder können.

Dieser Fähigkeit zur Spökenkiekerei - jenseits der sichtbaren Oberflächenstrukturen - auf das noch Nichtsichtbare der Tiefenstrukturen hinterm Horizont verdanke ich meine frühe und richtige Positionierung als Corona Dissident im Querdenkerlager, denn mtlw. gibt es keine der angeblichen Verschwörungstheorien aus der Corona Zeit, die nicht auf das Übelste wahrgeworden ist.

With a little help of my friends?
Wenn man so wollte, könnte man den Behemoth als eine sinnstiftende Klammer dieser vielfältigen biographischen Erzählfäden verstehen. Demensprechend sollten ein paar Bemerkungen zum Wesen und zur Identität meines entfernten, sagenumwobenen Freundes und Kupferstechers dem Behemoth gefunden werden, denn auch die nur entfernte Freundschaft mit einem Monster wie dem Behemoth ist durchaus ambivalenter Natur. Dem Behemoth gilt es mit einer gewissen umsichtigen Vorsicht zu begegnen.
Natürlich existieren beide Figuren nur als mythische Monster seit den Tagen der Antike und der Bibel und so hat H. Bredekamp dem Behemoth eine kunstgeschichtliche, politische Abhandlung verfasst.
Das Buch Hiob verbindet Fragen der Theologie und Politik und das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, den Einzelschicksalen und einer Weltordnung, wie das das Verhältnis der Freiheiten des Einzelnen zur der jeweiligen Macht einer staatslenkenden Klasse, für deren Macht die Gesetzte und Willkür des Leviathan stehen.
Der wohlhabende Hiob hat einige herbe Hiobsbotschaften hinzunehmen, woraufhin er Gott anklagt, der ihm durch eine einen ‘Wettersturm‘ antwortet und dabei auf die unbesiegbare Macht seiner beiden Geschöpfe Leviathan und Behemoth vergegenwärtigt:
„Siehe da den Behemoth, den ich geschaffen habe wie auch dich! Er frisst Gras wie ein Rind, siehe welche Kraft ist in seinen Lenden und welch eine Stärke in den Muskeln seines Bauches! Sein Schwanz streckt sich wie eine Zeder, die Sehnen seiner Schenkel sind dicht geflochten. Seine Knochen sind wie eherne Röhren, seine Gebeine wie eiserne Stäbe. Er ist das erste Werk Gottes. Der ihn gemacht hat gab ihm sein Schwert.“
Auf Grund seiner außergewöhnlichen Stärke wird der Behemoth nicht nur als unbesiegbar, sondern auch als unbezähmbar, schlimmstenfalls kann nur das staatstragende Seeungeheuer Leviathan dem Landtier Behemoth gefährlich werden.

Meine erste Begegnung mit dem Behemoth
Zu Beginn möchte ich zunächst kurz den Kontext meinen ersten, eher oberflächlichen Begegnung mit dem Behemoth erzählen.

Das geschah 1987 als Herausgeber des Newsletters der igst in Heidelberg war, der Colportage, Informationsdienst, Nachrichtenüberbringer und Aufregungslieferant. Da zierte der Behemoth von Louis Breton den Umschlag anlässlich eines Interviews mit dem italienischen Familientherapeuten Maurizio Andolfi mit dem Titel ‘Penis, Papst und Panik‘ die Titelseite. Damals hatte ich noch nicht den Hauch einer Ahnung davon, dass ich einige Jahre später in Ost-Frankreich, sozusagen dem französischen Sauerland das heutige Seminarhaus des missing-link-institutes unter merkwürdigen Umständen finden sollte.
Diese Geschichte der Seminarhausfindung des mli, die natürlich auch auf das Engste mit dem Sauerland verknüpft war, wird aber ein anderes Mal erzählt.

Auf den Behemoth war ich als Gegenfigur des Leviathan gestoßen. Zu beiden mythologischen Figuren hatte Thomas Hobbes (1588-1679) zwei zentrale Schriften zur Struktur, Funktion und Sinn des Staatswesens verfasst, die wiederum von dem Plettenberger Carl Schmitt in seinem ‘Levithan‘ kongenial kommentiert und analysiert wurden. Obwohl  ich Plettenberger bin, kam es zu einer intensiveren Schmitt Lektüre erst durch Schmitts einstigen Freund Ernst Jünger. Jünger wurde mir zu einem wertvollen Ideenlieferanten als ich im Rahmen der igst und späteren mli Seminare die Schlachtfelder des WK I, wie bspw. den Lingekopf und den Hartmans Willer Kopf besuchte.

Erst durch die Beschäftigung mit E. Jünger kam ich (m)einer Delegation durch meinen leiblichen Großvaters dem Plettenberger Müllermeister Wilhelm Dunkel auf die Spur, der als Fourier im ersten Weltkrieg in Straßburg stationiert war. Jünger beschreibt in den Stahlgewittern Pomp und Glorie der üppigen Feste in den Versorgungslagern der Etappenhengste zu denen mein Großvater Wilhelm gehörte. Diese Delegation beschriebt ich im Band ‘Bunter Staub - Ernst Jünger im Gegenlicht‘ unter dem Titel der ‘Ernst des Lebens‘.

Aber durch Wilhelms frühen Tod war die Umsetzung seines unerfüllten Lebenswunsches nach dem Krieg ins Elsass und die Vogesen zurückzukehren zu meinem späteren transgenerationalen Auftrag geworden. Im Artikel ‘Der Ernst des Lebens‘ zeichnete ich Theorie und Praxis dieser Delegation nach und wurde mir dadurch noch einmal sehr bewusst, wie wir alle unlösbar, mehrgenerational und tiefenstrukturell eben nicht nur in das Nahfeld der Familiendynamik, sondern in die Großfelder des Gang der Historie und von Frieden und Krieg eingebunden sind.

Meine Delegation ins Elsass wurde also durch den zu frühen Tod meines Großvaters Wilhelm Dunkel ‘getriggert‘, das hätte mir zu denken geben sollen.

Immerhin war ich mir schon 2022 die ‘Auslöschung des Grünen Strahls‘ im Straßburger Dom durch das öko-faschistische Kirchenpersonal eines woke gespülten Katholizismus in Kooperation mit der französischen Denkmalbehörde auch sofort als unheilvollen Menetekel bewusst.

Daraus entstand im Juni ‘22 kurze Zeit nach meiner Rückkehr von der dritten Freiheitswanderung des neuen Hambacher Festes die kleine Reflexion, ‘Wie man in den heutigen Zeiten heiter und gelassen bleiben kann‘. Aber mir war noch nicht bewusst geworden, welche Menetekel Information die Auslöschung des ‘Grünen Strahls für mich selber bedeuten würde.

An Stelle einer Reise durch das Sauerland
der auf den Geburtstagen meiner Eltern häufig von einem Alleinunterhalter intonierten Polonaise trat ich eine vierzehntägige Polonaise durch das französische Gesundheitssystem an. Leider wurde auf den Geburtstagen meiner Eltern(-generation) nie die ‘Nationalhymne‘ des Sauerlandes von Zoff gespielt.
„Ein Bauer stand im Sauerland und dachte drüber nach,
dass Hühner auf der Stange sind und Tauben auf dem Dach
und in der Zwischenzeit ganz munter,
holt der Fuchs die Hühner von ihre Stange runter.“

Als erste Station begab ich mich schnurstracks in das lokale Krankenhaus von Saint Die. Und siehe da. Während die kardialen Troponin Werte zunächst noch unauffällig waren, kletterten sie nach einigen Stunden in schwindelerregende Höhen und meine Behemoth Hypothese bestätige sich zur ‘allseitigen Freude‘.

So wurde ich am nächsten Tag zum zweiten Teil der Polonaise durch das französische Gesundheitssystem nach Nancy ins knapp einhundert Kilometer entfernte Universitätshospital CHRU Brabois in die Herzchirurgie verlegt. Bei der dort vorgenommenen Herzkathederuntersuchung stelle sich heraus, dass sich mit Stents nichts mehr reißen ließe und alle Hauptgefäße völlig verstopft waren und mein vglw. guter Zustand eher an ein Wunder grenzte. Die Ärzteschaft beschloss ohne langes Federlesen, dass ich zeitnah drei ‘Bye-Bye-Späße‘ verpasst bekommen sollte. Trotz dieser zunächst niederschmetternde Diagnose, denn mir war mtlw. sonnenklar geworden, dass das nicht ganz so einfach, schnell und harmlos verlaufen würde, wie ich es mir noch am Vortag erhoffend gewünscht hatte.

Gleichwohl war ich seit meiner Selbsteinlieferung ins Hospital von Saint Dié von einer gewissen wurstigen Zuversicht beseelt, die ich als das Ganzkörpergefühlsgewissheit zusammenfassten könnte, dass meine letzte Stunde noch nicht geschlagen haben sollte ,und ich wohl die Englein noch nicht ganz sobald singen hören und so zuvor auch noch nicht in des Teufels Purgatorium durchgegrillt werden würde, um anschließend die Radieschen von unten betrachten zu dürfen.
Allerdings ist auch bekannt, dass solche Wurschtigkeits-Hoffnungen ein gewisses Fehlerrisiko beinhalten können und manch ein Hoffnungsfreudiger soll auf diesem Wege schon unter den Radieschen gelandet sein. Man ist erst hinterher wirklich schlauer.
Aber, was wollte ich einstweilen in meiner Lage mehr erhoffen?

Shit happenzz
Der Definition eines Herzinfarktes wohnt inne, dass er für den Betroffenen häufig überraschen eintrifft. Die zunehmende Kurzatmigkeit in den Wochen zuvor hatte ich nicht richtig bemerken wollen und hatte sie auf ein nicht hinreichendes Sportprogramm attribuiert.
In den letzten fünfzehn Jahren hatte ich – im Unterschied zu früher - zudem sehr gesundheitsgerecht gelebt: No Smokes, no Drinx, low fat, low salt, low sugar und ordentlich Bewegung und Sport.

Am Abend vor dem Infarkt hatte ich satt gegen die Niedrigsalz Regel verstoßen und hatte fast eine ganze Stange Pringles Dreck gefressen. Wie blöd kann man werden, wenn man sich undiszipliniert von seinen kleinen Süchten überwältigen lässt?

The first cut is the deepest
Und natürlich war mir auch klar, dass ich in den Lebensepochen vor den letzten fünfzehn gesunden Jahren mit high drinks & drugs, many smokes, much fat, high salt und low sports ausgesprochen ungesund gelebt hatte und dass sich die Folgen aus dieser Phase als Ablagerungen in meinen Herzkranzgefäßen ruinös niedergeschlagen haben könnten. Was sicherlich auch der Fall war.
Zudem hatte durch meine erste Scheidung (noch im Sauerland, 1987) mein Herzchen psycho- physiologische Einschnitte erleiden müssen. Interessanter weise befand sich in meinem Archiv aus diesem Jahr eine Symbolisation, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Mit meinem Operateur Dr. Allmed, mit dem mich gleich ein Vertrauensverhältnis verband und dem ich viel verdanke, wurde das postoperativ auf interessante Art und Weise diskutiert. Solche zeitlichen Zusammenhänge von Entstehungsbedingungen eines Infarktes über 35 Jahre mit einer Symbolisation nachweisen zu können, ist (leider) ausgesprochen selten und eher eine globale Singularität. (Immerhin!)

Soweit fürs erste.
Wie es dann weiterging über die Wachstation, die Intensivstation, die Abteilungsstation mit Penthaus Ausblick über Nancy, Retour über das lokale Krankenhaus in Saint Dié bis zum Back Home wird demnächst mal in einer weiteren Folge erzählt.

Jetzt fast ein Jahr später bin ich besser beieinander als zu vor und der regelmäßige Sport ist vollumfänglich wieder aufgenommen.