5. Starkes Themenfeld: Natur
5.1. Geist und Natur (z.Z. in erweiternder Überarbeitung)
Leider tut die so losgelassene „Natur“ dem Menschen nicht den Gefallen, ein natürliches Gleichgewicht herzustellen, und seit Jahren ist die „Natur“ nicht durch Menschen, sondern durch die zuwandernden Hirsche bedroht.
Lucius Burckhardt, 1977, Landschaftsentwicklung und Gesellschaftsstruktur
Das Konzept ‘Geist und Nature‘ wurde in Referenz zu Gregory Bateson geschaffen, von dem im systemischen Feld eine einflusssreiche, jahrzehntelange Traditionslinie ausgeht. Im Zentrum dieses Konzepts steht die ‘Verwandlung der Welt‘ seit dem 18. Jahrhundert zum Zeitalter des heutigen Anthropozäns und als dessen Folgen die Auswirkungen dieser Verwandlungen auf die Ökologie oder in christlicher Begrifflichkeit auf die Schöpfung.
Geist & Natur als natur- und ökologiebezogenes Konzept sucht transdisziplinär nach den verbindenden Mustern in Außen- und Innenwelten. Es gründet auf scheinbar zunächst separaten Werken aus unterschiedlichen Zeitepochen mit komplexen Welt- und Menschenbildern: Ernst Jünger, Gregory Bateson, Claude-Levi Strauss, John B. Calhaun, Lucius Burckhardt, Marc Augé, Christopher Alexander, Hans-Peter Dürr, Roger Scruton, Stephen Emmott und Doug Saunders. Je jünger und damit desto zeitaktueller die Konzeptentwickler werden, desto düsterer oder dystopischer werden ihre Konzepte.
Jenseits aller Konzepte gibt es auch für eine romantisierende, deutsche Waldeslust wenig Grund, sondern es bleibt die bittere Feststellung zu treffen, dass der ‘deutsche‘ Wirtschafts-Wald, durch die verhängnisvolle Quadriga aus ‘Hitze und Dürre zu trockener Sommer, Monokulturen und Schädlingen wie Borkenkäfern‘ plus warmen Wintern schweren Belastungen und großem Stress ausgesetzt ist, von der dadurch erhöhten Waldbrandgefahr ganz zu schweigen; natürlich sind Waldbrände zu 99% menschenverursacht, denn bis 250 Grad Außentemperatur entzündet sich im Wald nichts von selbst.
Da das Seminarhaus des missing-link-institutes mitten im Wald bzw. mitten in einem forstwirtschaftlichen Industriegebiet liegt, haben wir das anschaulich vor Augen. ‘Le Waldsterben‘ wie die Franzosen in den 1980er Jahren noch über die damaligen Wald-Sorgen der Deutschen spotteten, hält nun auch in den Vogesen reiche Ernte. Auch der deutsche Waldschadensbericht ist nicht besonders optimistisch.
Von da auf einen ausschließlich, menschenverursachten Klimawandel zu schließen, wäre allerdings etwas zu schnell gesch(l)ossen. Für die vergangenen warmen Winter scheint doch eher durch eine Nordatlantische Oszillation (NAO) und die Atlantische Multidekaden-Oszillation (AMO) bewirkt worden zu sein.
Mehr Infos zu diesen Themen Umwelt, Ökologie und Klima auf den Ökologieseiten des mli.
Ernst Jünger (1895-1998), Der Waldgang
„Waldgänger ist also jener, der ein ursprüngliches Verhältnis zur Freiheit besitzt, das sich, zeitlich gesehen, darin äußert, daß er dem Automatismus sich zu widersetzen und dessen ethische Konsequenz, den Fatalismus, nicht zu ziehen gedenkt. Ein solches Wagnis kann Erfolg nur dann erhoffen, wenn ihm von den drei großen Mächten der Kunst, der Philosophie und der Theologie Hilfe geboten und Bahn im Ausweglosen gebrochen wird.“
Fußend auf seinen Kriegserfahrungen im "Wäldchen 125" beschreibt Jünger im Waldgang die Position der Verantwortung des Einzelnen in einer Epoche der Anpassung. Der Wald als Rückzugs- und Erholungsraum der gesellschaftlich Randständigen, der Partisanen, der Dissidenten, der Störenfriede und der Rebellienten. Der Waldgang ist ein Bekenntnis zur tiefenstrukturellen Natur der unzähmbaren Wilderness des Menschen und damit ein Programm des Sträubens und des Widerstands gegen ideologische und staatliche Vereinnahmung. Jünger erlebte die beiden Weltkriege und wandelte sich unter dem Stichwort der ‘Havarie‘ von Schiffen und technischen Systemen, wie sein jüngerer Bruder Friedrich Georg zu einem Skeptiker des technischen Fortschritts.
Gregroy Bateson (1904-1980), Geist und Natur
„Das Lebewesen, das im Kampf gegen seine Umwelt siegt, zerstört sich selbst.“
„Wir haben eine Stufenleiter des Denkens konstruiert. Wie denkt man nach über—worüber? Ach ja das Muster, das verbindet.
Meine zentrale These läßt sich nun in Worten andeuten: Das Muster das verbindet ist ein Metamuster. Es ist ein Muster von Mustern. Und genau dieses Metamuster definiert die weitreichende Verallgemeinerung, daß es in der Tat Muster sind, die verbinden.“
Der britische Biologe und Anthropologe begründete neben seinen frühen Arbeiten mit dem Schweizer Jürgen Ruesch Zur sozialen Matrix von Kommunikation und Psychiatrie und der Doppelbindungstheorie mit seinen zentralen Werken ‘Ökologie des Geistes' (1973) und ‘Geist und Natur' (1987) eine jahrzehntelange, einflussreiche Denkrichtung im systemischen Feld.
Ein wichtiger Baustein von Batesons Werk war das ‘Muster das verbindet'. Es wurde zum zentralen Motto des missing-link-instituts. Mit diesem Motto umriss Bateson eine kontextsensible, ökologische und anti-pointilistische Sichtweise defraktionierender Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichsten Phänomenbereichen. Es wurden in den 80er Jahren zu einem Zündfunken des systemischen Felds und damit u.a.a. (von Bateson vmtl. ungewollt) zu einem Grundstein des klimarettenden Kulturmarxismus im Bereich der Sozialwissenschaften.
Die Lerntheorie von Bateson fand leider im systemischen Feld nie eine angemesssene Beachtung, Verwendung und Würdigung. Jenseits davon war das strenge und lockere Denken eine anregende Unterscheidung mit Ähnlichkeiten zum sgn. wilden Denken von C. Levi-Strauss.
Warum ist das lockere Denken bzw. das wilde Denken von C. Levi-Straus (vgl. unten) so bemerkenswert und nutzenstiftend?
Es versteht sich von selbst, dass gerade komplexe, transdisziplinäre Konzepte auf den strengen, den rationalen, evidenzbasierten, dem wissenschaftlichen, dem anti-obskuren und dem anti-esoterischen Vorgehensweisen und Methoden basieren sollten.
Gleichwohl gibt es für eine Ergänzung bzw. für eine Korrektur durch das wilde und lockere Denken wichtige Argumente, denn das wilde bzw. lockere Denken nach Bateson sollten nicht als ein kopfloses, überhastetes Denken ohne Überblick, ohne Ruhe und ohne kühles Blut fehlinterpretiert werden, sondern ganz im Gegenteil. Es handelt sich um ein erfahrungsbasiertes Denken, das auf schnellen Annäherungen basiert und Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten ergebnisoptimierend integrieren kann.
- Komplexe, transdisziplinäre Konzepte müssen offen für Erweiterungen bleiben und sollten nicht, wie bspw. der Luhmannsche Funktionalismus nur noch selbstreferentiell in ihrem eigenen, theoretischen Saft bzw. Bezugs- und Begriffssystemen schmoren.
- Sie sollten gleichzeitig den Puls und die politischen Strömungen der Zeit aufnehmen können, aber möglichst ideologie- und haltungsneutral sein und die gleichzeitig die Möglichkeit beinhalten Expeditionen in noch unbekannte oder unübersichtliche Gebiete, ergo die Wilderness zu ermöglichen.
- Sie sollten keine Modelle zur Komplexitätsreduzierung darstellen, sondern eher der Komplexitätserhöhung oder einer Komplexitätsfokussierung dienen.
- Dies gilt insbesondere für die Expeditionen in die Innenwelten, deren Tiefenstrukturen sich häufig dem strengen Denken und dem strukturierten Vorgehen des Ingenieurs entziehen.
- Die alltagspsychologischen Denkweisen der Mandantschaft bzw. Klientel, funktionieren eben sehr häufig nach dem wilden bzw. lockeren Denken und Fühlen und eben nicht nach dem strengen Denken.
- Menschen geraten in unübersichtliche Lagen, die schnell existentielle Dimensionen annehmen können. Hier muss häufig unter Zeitdruck entschieden und gehandelt werden, was nur durch wildes und lockeres Denken bewältigt werden kann.
- Die Zukunft kann zwar hochgerechnet und simuliert, aber nicht wissenschaftlich vorweggenommen werden. Sie bleibt grundsätzlich offen und unbestimmbar. Dass konkrete Driften in den zukünftigen Unbestimmbarkeiten kann mit dem wilden und lockeren Denken besser bewältigt werden.
Claude Levi-Strauss (1908-2008), Das wilde Denken
„Der Bastler ist in der Lage, eine große Anzahl verschiedenartigster Arbeiten auszuführen; doch im Unterschied zum Ingenieur macht er seine Arbeiten nicht davon abhängig, ob ihm die Rohstoffe oder Werkzeuge erreichbar sind, die ja nach Projekt geplant und beschafft werden müssten: die Welt seiner Mittel ist begrenzt, und die Welt seiner Regel besteht immer darin, jederzeit mit dem, was ihm zur Hand ist, auszukommen, d.h. einer stets begrenzten Auswahl an Werkzeugen und Materialien, die überdies noch heterogen sind, weil ihre Zusammensetzung in keinem Zusammenhang zu dem augenblicklichen Projekt steht, wie überhaupt zu keinem Projekt, sondern das zufällige Ergebnis aller sich bietenden Gelegenheiten ist, den Vorrat zu erneuern oder zu bereichern oder ihn mit den Überbleibseln von früheren Konstruktionen oder Destruktionen zu versorgen.“
Levi-Strauss bringt in seinem wilden Denken den Bricoleuer gegen den Ingenieur und seine technisch-naturwissenschaftlichen Havarien in Stellung. Es ist eine fundamentale Kritik der westlichen Rationalität, der Levi-Strauss das wilde Denken des sgn. ‘Primitiven‘ gegenüberstellt. Für CLS stellt der ‘bricoleur‘ nicht ein primitives oder unterlegenes, sondern nur anderes differenziertes Denken dar. Beide Denkmodelle wollen die Welt in orientierenden, ordnenden Konzept erklären. Der reklamierte Überlegenheits-, Durchsetzungs-, Eroberungs-, Unterdrückungs-, Kommerzialisierungs-, Zerstörungs- und Versklavungsansprüche der westlichen Zivilisationen kann man getrost als Faktum konstatieren, aber CLS leitet daraus keine automatische Rechtfertigung für den Ingenieur und seine Methoden ab.
John B. Calhaun (1917-1997), Overcrowding Experimente mit behavioral sink
Der amerikanische Verhaltensforscher führte von Ende der 50-er bis Anfang der 70-er Jahre im Rahmen des National Institut of Mental Health (NIH) die sgn. Ratten- und Mäuseexperimente zur Überbevölkerung durch.
Auf einer begrenzen Fläche (3.0 m x 4.3 m x 2.7 m) wurden zwei Ratten (sozusagen Adam und Eva) ausgesetzt. Die Nager wurden bei hinreichendem Wasser und Nahrung sich selbst überlassen. Nach kurzer Zeit wuchs die Nagerpopulation explosionsartig an, so dass die Nager unter starken Stress gerieten und gegenüber ihrer eigenen Art hochgradig aggressiv reagiert. Die Nager stellten zuerst die Fortpflanzung ein und dezimierten sich selber bis am Ende nur wieder zwei Ratten übrig waren. Calhaun bezeichnete diese Autoaggression gegenüber Artgenossen durch mangelnden Raum als ‘behavioral sink‘.
Diese ‘Ratte ohne Raum‘ Experimente zeigten, dass in Relation zur vorhanden Fläche die Nagerpopulation exponential anstieg, eine kurze Zeit auf einem Plateau bestehen blieb bis die Nager durch exponentielle Selbstvernichtung wieder auf der ursprünglichen Ausgansgröße angekommen waren.
1971 verfasste Robert C. O'Brian (1918-1973) mit Bezug auf Calhaun's Forschungen am National Institut of Mental Health (NIH) das Kinderbuch Mrs. Frisby and the Rats of NIMH. Mrs. Frisby als Oberhaupt eines Feld-Mäuseclans wird vom Pflug eines Farmer bedroht. Über verschiedene Kontakte mit anderen Tieren, wie bspw. eine schlauen Eule kommt die Mäuse-Mutter in Kontakt mit den klugen Ratten, die aus Calhoun's Experimenten übrig geblieben sind und versucht deren Hilfe der Bedrohung durch des Farmers Pflug auszuweichen. Später setzte J.L. Conly (1943) die Tochter von O'Brian diese fiktionalen Tierfabeln ihres Vater fort.
Lucius Burckhardt (1925-2003), Spaziergangswissenschaft
„Ein Anliegen der von uns so genannten Spaziergangswissenschaft muss es also sein, gleichzeitig mit der Wahrnehmung auch die Determiniertheit unserer Wahrnehmungsformen aufzuzeigen, so dass auch neue und ungewohnte Beurteilungen bekannter Situationen möglich werden.“
Der Schweizer Soziologe und Nationalökonom Lucius Burckhardt war einer der transdisziplinären Pioniere einer Analyse von Landschaftsgestaltung und Stadtplanung und die dadurch ausgelösten Umweltveränderungen und Landschaftszerstörungen zu Industriebrachen. An der GHS Kassel entwickelte Burckhardt aus seinen Überlegungen die Spaziergangswissenschaft bzw. die Promenadologie.
Der Spaziergangswissenschaft als gehende Form der teilnehmenden Beobachtung hatte ihre Vorläufer in der deutschen Klassik als der Philister zu Fuß aus den Städten in deren Randbezirke, Gärten und Umgebungen seiner Stadt aufbrach und diese Ausflüge in poetischer Sprache niederschrieb. Der dadurch ausgelöste Aufschwung der deutschen Klassik wurde in ausgedehnteren Fußreisen, wie von J.G. Seumes ‘Spaziergang nach Syrakus‘ in Anlehnung an die Grand Tour des europäischen Bildungsbürgertums beschrieben.
Charles Beaudelaire beschrieb als erster das ziellose oder driftende Durchstreifen des müßiggängerischen Gentleman-Flaneurs in der zur Stadt umgebauten Natur. Der Flaneur als Erkunder seiner städtischen Nahräume hatte ebenfalls die stereoskopische Doppelrolle von reflektierender Beobachtung und Bewegung im eigenen Lebenshabitat.
Nach dem zweiten Weltkrieg entstand wiederum in Paris das Umherschweifens des psychogeographischen Dérive von Guy Debord und den internationalen Situationisten mit Ernst Jünger's stereoskopischem Blick durch die Pflasterstrände der Stadträume. Es kann als Weiter- bzw. Rückentwicklung der Spaziergänge in die städtischen Umgebungen und die Grand Tour mit revolutionärem Anspruch verstanden werden.
Burckhardt als Mahner und Warner einer weiteren Zerstörung der Natur zu technikgetriebenen, vulkanischen Werkstättenlandschaften fasste diese Entwicklungen zur transdisziplinären Spaziergangswissenschaft zu einem kritischen und wehmütigen Durchstreifen der bedrohten oder schon zerstörten Natur.
Ein spaziergangswissenschaftlicher Nachfolger von L. Burckhardt ist B. Weisshaar vom Atelier-Latent in Leipzig.
Im Rahmen der Symbolisation als Konzept zur Beobachtung und Dekodierung schwacher Signale spielt die Spaziergangswissenschaft bei den Expeditionen in die Innenwelt eine herausragende Rolle.
Marc Augé (1935) Nicht-Orte
„Wie man leicht erkennt, bezeichnen wir mit dem Ausdruck ‘Nicht-Orte‘ zwei verschiedene, jedoch ergänzende Realitäten: Räume, die in Bezug auf bestimmte Zwecke (Verkehr, Transit, Handel, Freizeit) konstruiert sind, und die Beziehungen, die das Individuum zu diesen Räumen unterhält. Diese beiden Sachverhalte überlagern sich zwar in weiten Teilen gegenseitig und ganz sicher offiziell (die Individuen reisen, kaufen, suchen Erholung), aber sie vermischen sich nicht im selben Maße, denn die Nicht-Orte vermitteln einen ganzen Komplex von Beziehungen zu sich selbst und zu den anderen, die nur indirekt mit ihren Zielen zusammenhängen: So wie die anthropologischen Orte Organisch-Soziales hervorbringen, so schaffen die Nicht-Orte eine solitäre Verträglichkeit. Wie sollte man sich die Durkheimsche Analyse eines Wartesaales in Roissy (Flughafen Paris) vorstellen?“
Der französische Ethnologe und Anthropologe Marc Augé beschreibt in seinem Konzept der Nicht-Orte im Unterschied zum traditionellen, anthropologischen und natürlich entstandenen Siedlungsorten als Orte des Fehlens von Geschichte, Beziehungen und Identität, sowie in einer damit einhergehenden, kommunikativen und verhaltensbegleitenden Verantwortungslosigkeit und Verwahrlosung.
Das Konzept der Nicht-Orte könnte man den Scrutons Konzepten der Oikophilia als einer personenbezogenen Heimat als diametral entgegengesetzt bezeichnen.
Es sind die Transit- und Transitionsräume eines funktions- und zielgerichteten Weges provisorischen Zwischenräume nach einem Anderswo. Es sind die zeitbegrenzten Durchgangs- und Warteräume die ‘Solitude‘ als Existenzform des geschichtslosen und identitätsdifusen, und zumindest zeitweilig entwurzelten Individums der Postmoderne begünstigen, das häufig ‘Lost in Translation‘ ist und sich selbst und seine Umgebung nicht mehr begreift und in einen chronisch-krisenhaften Dauerstatus gerät.
Christopher Alexander (1936), Mustersprache
„Jedes Muster beschreibt zunächst ein in unserer Umwelt immer wieder auftretendes Problem, beschreibt dann den Kern der Lösung dieses Problems und zwar so, dass die Lösung millionenfach angewandt werden kann, ohne sich je zu wiederholen.“
Alexander hat als grenzüberschreitender Denker zwischen Architektur, Philosophie und Systemtheorie G. Bateson's Leitidee des ‘Pattern which connects‘ zur ‘Pattern language‘ weiterentwickelt. Alexander macht tiefenstrukturelle Verbindungsmuster für unterschiedlichste Anwendungsbereiche fruchtbar.
Sir Roger Scruton (1944-2020) Grüne Philosophie ein konservativer Denkansatz
„Unsere Umweltprobleme haben ein Ausmaß angenommen, das jede Lösung unmöglich erscheinen lässt und sie haben längst eine Dimension erreicht, die es unmöglich macht, sie auf lokaler Ebene zu lösen. Vor allem nicht, wenn man altmodischen Vorstellungen anhängt, wie sie Konservative gerne pflegen. Der Klimawandel hat die Umweltpolitik aus dem Feld normaler Politik herauskatapultiert und lässt am Horizont eine drohende Katastrophe aufscheinen, die unsere bisherigen Wege der Wohlstandssicherung ad absurdum führen wird. Eine Umweltpolitik, die sich auf das Recyceln von Plastikflaschen konzentriert, auf saubere Flüsse und den Schutz roter Eichhörnchen vor den grauen, mag einen gewissen Reiz haben und sich in der ein oder anderen Form aus nostalgischen Bildern von Merry Old England, Dixieland oder La douce France speisen. Doch in der Zwischenzeit werden Merry Old England, Dixieland oder La douce France von den steigenden Ozeanen verschlungen oder von den UV-Strahlen der Sonne versengt werden.
Ich bezeichne diese Motivation als oikophilia, als Liebe zum oikos, zum eigenen Haushalt. Eben dieses griechische Wort bildet die semantische Grundlage für Begriffe wie Ökonomie oder Ökologie. Ich möchte mit diesem Begriff aber eine tiefe Schicht der menschlichen Psyche beschreiben, die der Deutsche als Heimatgefühl kennt.“
Hans-Peter Duerr (1946), Die Grenzen zwischen Wildniss und Zivilsation
„Für uns Angehörige der modernen Zivilisation, die wir meist mehr haben, als wir sind, ist die Erfahrung jenes wilden Teiles unserer Person kaum mehr vertraut. Die gängigen Ideologien unserer Zeit zeigen immer wieder die Tendenz, diesen anderen Teil, unserer selbst den Wirklichkeitscharakter zu nehmen, ihn als eine illusionäre Projektion zu erweisen. Und dies eben vor allem deshalb, weil sie in einer Zeit entstanden sind, in der sich die Hecke (die die Wildnis der Natur von der Kultur trennt), auf der einst die hagazussa hockte, zu einer Mauer verfestigt hatte, die mit der Grenze der Wirklichkeit zusammenfiel. Wir haben gesagt, dass derjenige, der das Wesen der Kultur kennenlernen wollte, in die Wildnis hinausmusste, denn nur dort konnte er Aufschluß über das erlangen, was ihm zwar vertraut, aber doch unbekannt war: seine Alltags Natur.“
Duerr stellt in Abgrenzung zu Nobert Elias die These auf, dass eine Entwicklung von der Natur zur Kultur fraglich ist, da die sgn. ‘Primitiven‘, auf ihre Art schon immer so schamhaft bzw. schamhafter als ‘wir‘ und so kultiviert wie wir sind nur eben auf eine an ihren Kulturkreis zugeschnittene Fasson. Sind wir angeblich Zivilisierten in Wirklichkeit die Wilden, die sich in unserer Kultur und Umwelt schamloser und zerstörerischer bewegen als jeder angeblich ‘Wilde'? Und muss daraus nicht abgeleitet werden, dass die weitverbreitete Auffassung vom ständigen zivilisatorischen Fortschritt eine unhaltbare Ideologie der Selbstrechtfertigung und ein moderner Mythos ist?
Stephen Emmott (1960), Folgen des exponentiellen Bevölkerungswachstums
„Ich habe einem der nüchternsten und klügsten Forscher, die mir jemals begenet sind, einem jungen Mann aus meinem Labor, der sich weiß Gott in diesen Dingen auskennt, die folgende Frage gestellt: Wenn er angesichts der Situation mit der wir derzeit konfrontiert sind, nur eine einzige Sache tun könnte,, was wäre das dann? Was würde er tun? Wissen Sie was er gantwortet Hat? »Ich würde meinem Sohn beibringen, wie man mit einem Gewehr umgeht.«“
Der britische Forscher Stephen Emmott hat sich in Abhängigkeit von der Explosion der Weltbevölkerung mit dem hochgerechneten Verlauf von Umwelt- und Klimafaktoren und der zukünftigen Entwicklung von Ökosystemen beschäftigt. Alle Kurven zu der Entwicklung von Umweltparametern zeigt mehr oder weniger zeitverzögert, den gleichen exponentiellen bis ‘explosiven‘ Verlauf, wie das Wachstum der Weltbevölkerung. Das gilt vom Anstieg des Artensterbens, über den Anstieg der Meerestemperatur und der Überfischung der Meere, dem Wasserverbrauch, sowie aller anderen nicht erneuerbaren Rohstoffe bis zum Verlust von tropischen Regenwäldern.
Emmott zeichnet wahrlich keine besonders beruhigende Zukunftsvison.
Doug Saunders (1967), Arrival City
„Die moderne Ankunftsstadt ist das Produkt der letzten großen Wanderungsbewegung der Menschheit. In diesem Jahrhundert ist ein Drittel der Weltbevölkerung in Bewegung, zieht vom Dorf in die Stadt. Diese Bewegung setzte in größerem Umfang kurz nach dem zweiten Weltkrieg ein, als Dorfbewohner in Südamerika und im Nahen Osten ihren Herkunftsort verließen, um am Rand der großen Städte neue Enklaven zu errichten, und tritt jetzt in die intensive Phase ein. Im Jahr 1950 lebten 309 Millionen Menschen in den Entwicklungsländern in Großstädten, bis zum Jahr 2030 werden es 3,9 Milliarden sein.
Die Ankunftsstädte sind nicht die Ursache des Bevölkerungswachstums, in Wirklichkeit setzt sie diesem ein Ende. Die Weltbevölkerung würde ohne diese massive Abwanderung vom Land in die Stadt noch viel schneller wachsen.“
Über alle Grenzen hinweg ziehen Millionen Menschen vom Land in die Städte. Davon wie diese Land-Stadt Mega-Migration gelingt oder misslingt hängt u.a. die Zukunft der Menschheit ab. Der kanadische Journalist Saunders beschreibt diesen internationalen und transkontinentalen Mega-Trend der Verstädterung und der vielfältigen, dadurch ausgelösten Folgen für die Welt. Durch diese Verstädterung wird die Welt und ihre Ökologie und ihr klimatischen Bedingungen gründlicher und nachhaltiger verändert, als durch viele andere Entwicklungen.
Um neben Luft-, Licht-, Wasserverschmutzung eine weitere der dramatischen ökologischen Folge dieser Verstädterung und die dadurch ausgelöste Bautätigkeit von Beton- und Stahlbeton Hochhäusern zu benennen, so ist das die Knappheit von Sand zur Betonherstellung. Sand ist ein begrenzter und nicht erneuerbarer Rohstoff dessen ungebremste Förderung zur Betonverarbeitung erhebliche Umwäldschäden an den Küsten und den angrenzenden Meeren und sogar in den Sand-Wüsten nach sich zieht.
Zusammenfassung
Diese Konzepte beschäftigen sich - mit Hans Blumenberg gesprochen - auf jeweils ihre Art um eine Lesbarkeit der Welt. Sie beschreiben die conditio humana vielfältiger, menschlicher Organisationsformen des Zusammenlebens in Abhängigkeit der Gestaltung von Lebens-Orten und Lebens-Räumen, sowie den dadurch ausgelösten ökologischen Folgen und technologischen Auswirkungen, sowie wiederum deren Rückwirkungen auf das Zusammenleben und die Gestaltung der Orte und Räume.
Diese Theorien beschreiben u.a. die Dichotomien bzw. die Übergänge und ökologischen Folgen zwischen
- der Weite und Enge der Welt, sowie der Bevölkerungsexplosion
- der Mega-Migration vom Land in die Stadt
- Freiheit und Zwang
- Geist und Natur
- Natur und Kultur
- Wildnis und Zivilisation
- Natur und Technik
- strengem und wildem bzw. lockerem Denken
und - welche Muster der Unterscheidung und Übereinstimmung
man dabei aufspüren kann. Allerdings ist bei dem Konzept ‘Mind und Natur‘ kein Kulturrelativismus impliziert.
Zweck und Ziel
In diesen Veranstaltungen durchstreifen wir die Eremitage des mli als locus amoenus und in Tagesreisen die im Herzen Europas gelegenen Natur-, Kultur-, Stadt-, Landschafts-, Wald- und Gartenräume der Vogesen und des Elsass als das corpus callosum des deutsch-französischen Körpers.
Transdisziplinär werden die verbindenden Muster der scheinbar gegensätzlichen Welt- und Menschenbilder von Bateson, Jünger und Burckhardt verknüpft und mit den neuen Forschungen zur heilenden Kraft des wilden Waldes und seiner Bäume dem Waldbaden ergänzt. Auf diesen Wald- und Landschaftsspazier-
gängen mit Tagesausflügen werden die Transitzonen und Reisen aus den Außenwelten in den Kosmos der Weltinnenräume der Teilnehmer mit weiteren Verfahren wie des FluXXus, der Symbolisation, der REBELlienz, der Mannigfaltigkeitn-1, dem Stoanon, dem HistorioDRAMA, dem stereoskopischen Blick und dem subtilen Jagen erkundet und dokumentiert.
Der entscheidende Unterschied bei der Anwendung der mli Brands in diesem Seminar ist, dass sie überwiegend draußen in einer der anregendsten Kulturlandschaften im Herzen Europas beim erkundenden und reflektierenden Umherschweifen und eben nicht nur in den Innenräumen des missing-link-instituts angewandt werden.
5. Starkes Themenfeld: Natur
5.2. Mitwelt, Umwelt, Geschichte
„Wer nicht von dreitausend Jahren
sich weiß Rechenschaft zu geben,
bleib im Dunkeln unerfahren,
mag von Tag zu Tage leben.“
J. W. v. Goethe
Das HISTORIODRAMA© kann je nach Perspektive auch zu den Themenfeldern Politik oder Kultur gezählt werden.
Entstehungsgesichte des HISTORIODRAMA©
Das HISTORIODRAMA wurde schon Mitte der 90er Jahre von mir entwickelt. Damals richtete ich das mli Seminarhaus in den Vogesen ein und setzte mich intensiv mit der Geschichte von Elsass und Lothringen auf den Spuren meines Großvaters mütterlicherseits auseinander. Mein Großvater, der Müllermeister Wilhelm Dunkel, war im ersten Weltkrieg in Straßburg stationiert*.
HISTORIODRAMA am Beispiel des Elsass
Über viele Jahrhunderte war Elsass-Lothringen der Zankapfel der deutsch-französischen Beziehungen. Die Wurzeln dieser Streitereien kann man weit zurückverfolgen bis auf den Vertrag von Verdun (843). Hier wurde in der Nachfolge Karl des Großen die Aufteilung des Fränkischen Reiches in drei Teile in die Wege geleitet:
- Westfranken wurde von Karl II dem Kahlen regiert
- Ostfranken wurde von Ludwig II dem Deutschen regiert
- Lotharingien wurde von Lothar II regiert; er erhielt zudem die Kaiserwürde.
Im Lauf der Geschichte hat diese Aufteilung viele Neuauflagen erlebt und weitere Konflikte nach sich gezogen. Die Schlacht von Verdun (1916) kann man als eine moderne "Neuauflage" dieser über 1000 Jahre alten Streitereien verstehen.
Wollte man ein anatomisch-metaphorisches Bonmot machen, könnte man - in Anlehnung an die französische Schriftstellerin Dominique Aubier - das Elsass als das Corpus Callosum der deutsch-französischen Beziehungen (des deutsch-französischen Gehirns) bezeichnen, oder wie es einer der bekanntesten Elsässer Tomi Ungerer gesagt hat: "Das Elsaß ist das Rückgrat des deutsch-französischen Körpers".
Worum geht es beim HISTORIODRAMA?
Es geht beim HISTORIODRAMA um die Erforschung „der unmittelbaren Wirkungen, seien sie bewusst gestaltet oder nicht, des geographisch-landschaftlichen Milieus auf das kognitiv-emotionale Verhalten der Individuen.“ Das Elsass ist als zentraleuropäische Kulturlandschaft eine wahre Fundgrube von prä- und frühhistorischen, sakralen, militärischen und politischen Hotspots. Den Schreckensorten der Kriege können die sakralen Hot Spots, Gärten, Weinberge, Dörfer und Städte gegenübergestellt werden. Beim HISTORIODRAMA geht es nicht um rückwärtsgewandte Ritterspiele, gotisches Münstergestaune, historisierendes Schlachtfeldgegraue oder esoterische Hexensabbaterei an der Heidenmauer am Odilienberg, sondern es geht um das große Lagebild, ein historisches und zukunftsbezogenes Big Picture. Wie ist die Conditio Humana zwischen Krieg und Kirche, in humanethologischer Begrifflichkeit die Conditio Humana zwischen Brutpflege und Revierverteidigung. Es geht um die Frage, ob wir (noch) am Vorabend des "Dritten Weltkriegs" stehen, oder ob er längst im Gange ist. An welchen Indizien lässt sich das ablesen? Oder, besteht die letzte Solidarität der Menschheit nur noch darin, die (Um-)Welt zu versauen? Gibt es dagegen (noch) etwas zu tun?
Zur Methodik des HISTORIODRAMA
Über das Elsass hinaus stellt das HISTORIODRAMA eine geschichtliche Erweiterung des Genogramms in die Kulturgeschichte dar. Dazu sind genaue Kenntnisse von Landschaft und Familiengeschichte und den wechselseitigen Verwobenheiten notwendig. Das HISTORIODRAMA ist u.a. eine Erweiterung der psychogeographischen Methode des dérive, des Umherschweifens, wie es in der Situationistischen Internationale Ende der 60er entwickelt wurde, in Kombination mit der Spaziergangswissenschaft, wie sie Lucius Burckhardt in den 80ern in Kassel erfunden hat.
Das HISTORIODRAMA wird zunächst durch Filme im Kritischen Kino vorbereitet und dann an den entsprechenden geschichtlichen Hot-Spots (Originalschauplätzen) in Anlehnung an psychodramatische Methoden in Aktion gesetzt und durch Lesungen von literarischen Zeugnissen verstärkt. Das HISTORIODRAMA ist (im Unterschied zu den folgenden verwandten Methoden) ein Verfahren, das innerhalb kürzester Zeit (für Laien ohne weitere Vorkenntnisse und kostümierenden Mummenschanz) den Einstieg in geschichtliche Epochen mithilfe des Verfahrens der hypnotischen Identifikation erlaubt. Dieses Verfahren, das zwischen primärprozesshafter Einfühlung und sekundärprozesshafter Analyse oszilliert, ermöglicht einen tiefenstrukturellen Einblick in den Zeitgeist der jeweiligen Epoche in Kombination mit den Auswirkungen auf das aktuelle emotionale Erleben und dessen Einbettung in die Biographie der beteiligten Personen an einer HISTORIODRAMAtischen Erkundung.
Theoretische Wurzeln und verwandte Verfahren:
Das HISTORIODRAMA ist im Methoden-Polygon von
- Psychogeographie
- Spaziergangswissenschaft
- Reenactment
- Action Learning
- Living History
- Histotainment
- Live Action Role Playing (LARP) und
- experimenteller Archäologie
entstanden.
HISTORIODRAMA-Ausflüge werden, soweit es die Zeit erlaubt, in die Veranstaltungen des mli integriert oder für spezielle geschlossene Gruppen durchgeführt. HISTORIODRAMA-Ausflüge können wenige Stunden für kleine Ziele umfassen, oder bis zu mehreren Tagen für größere Touren mit Übernachtungen organisiert werden.